Verschwundene Künstler

Hier ist eine ganz besondere Rubrik, die der “vanished artists”. Die verschwundenen Künstler sind für mich diejenigen, die zwar mit Arbeiten in meiner Sammlung vertreten sind, deren Werk sich jedoch nicht weiterentwickelt hat, bzw. deren Werk zum Stillstand gekommen ist.

Mir ist unverständlich wie man Künstler sein kann und plötzlich mit seiner Kunst aufhört. Das ist für mich ein Widerspruch. Sicher zwingen manchmal Lebensumstände zu einer Pause oder Veränderung, aber das meine ich nicht. Ich meine die dauerhafte Aufgabe der künstlerischen Tätigkeit und bisweilen des Interesses für Kunst. Das zeigt sich durch das Verschwinden der Künstler auch von kulturellen Veranstaltungen, wo man sich ja sonst zufällig getroffen hat.

Ganz besonders schade ist es, dass ich mit diesen Künstlern viel Zeit verbracht habe – gerne – und dies so plötzlich endete. Ich habe mit ihnen Abende verbracht, sie in ihren Ateliers besucht, mich für ihr Leben und und ihre Sicht auf die Kunst interessiert. Wir führten Gespräche bei Saft, Bier und Wein bis in die Untiefen der jeweiligen Umstände. Wir befreundeten uns zuweilen.

Die Galerien haben mir von ihren Vorhaben mit den Künstlern vorgeschwärmt, geplante Messeauftritte – auch im Ausland – und Verkauf an wichtige Sammlungen. Diese Versprechen wurden von den Galerien gerne in den Anschaffungspreis “eingepreist” und das wäre auch in Ordnung, wenn es denn gestimmt hätte. In 99% aller Fälle hat es nicht gestimmt. Schlimmer noch, zu einem erschreckend hohen Prozentsatz gibt es die von mir angesprochenen Totalausfälle, das komplette Verschwinden der Künstler vom Kunstgeschehen und vom Markt, die Galerien löschen die Geschichte und erinnern sich nicht mehr, wissen nichts über den Verbleib, denn sie wollen Neues verkaufen.

Was ist daran tragisch? Einerseits tut es mir leid um die Talente, andererseits hat es meine Gutgläubigkeit in Galeristenaussagen zerrüttet. Ich betrachte sie jetzt nur noch als verzweifelte Autoverkäufer, mit sehr wenigen Ausnahmen. Ich informiere mich inzwischen unabhängig über meine eigenen Quellen und Kontakte und lasse sie reden.

Ich habe versucht, herauszufinden, warum Künstler verschwunden sind. In einigen wenigen Fällen ist es mir gelungen, das waren familäre Gründe, Geburt des Kindes und wohl der nächsten. In einem Fall war es wohl Drogensucht mit unbekanntem Schicksal, in einem anderen Fall psychische Probleme mit der geschaffenen und an mich verkauften Arbeit. Bei einer anonymen Künstlerin, die über eine Privatgalerie vertreten wurde, verschwand die anonyme Künstlerin spurlos und da sie anonym war und die Galerie den Kontakt nicht ermöglichte, war das auch ein Finalstrich für weitere Ankäufe oder Zusammenartbeit bei Ausstellungen, die ich zum Teil finanziert habe. Eine andere Künstlerin hat nach meinem Ankauf die bildende Kunst komplett an den Nagel gehängt und wurde Musikerin.

Da ich viel “junge” Kunst aus dem Berliner Raum in den letzten 20 Jahren gesammelt habe, befinden sich in meiner Sammlung etwa 25% Arbeiten, ich schätze um die 50 Stück, deren Künstler sich über das Internet nicht mehr finden lassen, bzw. deren künstlerische Nachrichten und Auftritte vor Jahren endeten.

Vielleicht teilen Sie meine Auffassung, dass meine Käufe den Künstlern irgendwie in ihrem Leben geholfen haben und dass meine Anerkennung ihrer künstlerischen Arbeit auch hilfreich war. Ich habe die Arbeiten gekauft, weil sie mir gefielen oder weil ich den Künstler damit unterstützen wollte auf seinem jugen Weg, machmal auch, um die dahindarbende Galerie zu fördern.

Letztlich geht es aber immer um die Kunst, die Arbeiten sind nun in meiner Sammlung und als Kunstgenuss werthaltig. Das hat mich bisher immer bereichert und angetrieben.

Die Schlussbemerkung zu diesem Thema ist jedoch: im Sinne meines Vorlasses, d.h. dem Verbleib meiner Sammlung, den ich zu Lebzeiten mangels Nachkommen und Familie regeln möchte, ist die Position der “vanished artists” besonders schwierig und ich befürchte, deren Arbeiten werden ohne weitere Beachtung – so wie die verschwunden Künstler es vorgelebt haben – in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, falls sich kein privater Liebhaber finden lässt.

Falls ich genügend Zeit habe, werde ich sie wohl hier listen (im Aufbau) und Sie können sich bei Gefallen gerne bei mir über das Kontaktformular melden, sich nach der Registrierung die Arbeiten auch online ansehen, wäre doch schade.

Olaf Schirm, im Juli 2023